Am Fachtag Geflügelhaltung der 71. Wintertagung des Ökosozialen Forums diskutierten Branchenvertreter:innen nachhaltige Strategien zur Stärkung des Geflügelmarkts in Österreich Die heimische Geflügelbranche ist massiv von der Teuerung betroffen. Das äußert sich in sinkenden Absatz bei gleichzeitig stark steigenden Importzahlen Franz Sinabell Agrarökonom am WIFO, identifizierte im Angriffskrieg Russlands auf die Ukraine die Hauptursache für den starken Anstieg bei den Lebensmittelpreisen in Österreich. Den Beitrag der Landwirtschaft an den Preissteigerungen sieht der differenziert: „ Ein Anstieg bei den Preisen für Agrargüter führt typischerweise nach einiger Zeit zu einem Anstieg der Lebensmittelpreise. Allerdings ist der umgekehrte Effekt nicht so automatisch gegeben. Ein Grund dafür ist, dass in den Lebensmittelkosten sehr viel Energie und Arbeit stecken. Lohnerhöhungen zum Beispiel werden auf die Preise der Lebensmittel umgelegt. Die Preise für Agrargüter sind also ein Mitgrund für die Lebensmittelpreise, der Großteil der Kosten wird aber von Faktoren wie Energie, Verpackung, Kühlung, Pasteurisierung und Arbeitskraft bestimmt “, so Sinabell.
Branche besonders von Teuerung betroffen
Die hohen Qualitätsstandards der österreichischen Geflügelhaltung stellen die Branche angesichts der Teuerung vor zusätzliche Herausforderungen. „Die heimische Geflügelbranche hat mit großem Einsatz und maßgeblichen Investitionen die – von der Gesellschaft und dem Lebensmittelhandel geforderten – hohen Tierschutzstandards erfüllt. Damit sich diese Mühen für die Betriebe auch langfristig rechnen, muss das, was bestellt wird, auch bezahlt werden und mit geringen Standards produzierten Billigprodukten aus dem Ausland ein Riegel vorgeschoben werden“, brachte Maria Pein, Vizepräsidentin der LK-Steiermark, ihre Forderungen auf den Punkt. Markus Lukas, Obmann der Geflügelwirtschaft Österreich, nannte mögliche Lösungsansätze für die Stärkung des Geflügelmarkts: „Aufgrund der hohen gesellschaftlichen Erwartungen, aber auch der kleinen Strukturen kann Österreich nur eine qualitätsorientierte Geflügelhaltung betreiben. Diese Strategie war bisher auch erfolgreich. Zur Absicherung der hohen Standards braucht es aber begleitende Maßnahmen insbesondere in Form einer verbesserten Produktkennzeichnung, damit sich die Konsumentinnen und Konsumenten bewusst für hochwertige heimische Qualität entscheiden können. In öffentlichen Einrichtungen müssen jedenfalls die vom Gesetzgeber vorgegebenen nationalen Qualitäts- und Haltungsstandards beim Einkauf von tierischen Lebensmitteln eingehalten werden.“
Geflügelwirtschaft muss Markttrends geschickt nutzen
Der Trend zu pflanzlichen (oder fleischlosen) Ersatzprodukten ist auch in der Geflügelwirtschaft immer stärker spürbar. So werden in Finnland beispielsweise tierfreie Eiproteine durch Präzisionsfermentation hergestellt. Wilhelm Windisch, Experte für Tierernährung an der TU München, sieht in pflanzlichen Ersatzprodukten vielmehr eine Bereicherung als eine Substitution: „Alternative Lebensmittel werden oft als bahnbrechende Innovationen gelobt oder mit grundsätzlicher Ablehnung bedacht. Die Wahrheit liegt meist in der Mitte: Sie können das Portfolio der menschlichen Nahrung durchaus sinnvoll bereichern, ohne die fundamentale Rolle der Nutztiere als Verwerter von nicht-essbarer Biomasse ernsthaft in Frage zu stellen.“ Wie die Geflügelwirtschaft Markttrends für sich nutzen kann, stand im Mittelpunkt der Podiumsdiskussion des Fachtages. Pein unterstrich Österreichs Vorreiterrolle hinsichtlich betriebswirtschaftlicher Daten und Dokumentation und hob die Krisenresilienz der bäuerlichen Familienbetriebe hervor. Deren Zusammenhalt sei in Europa einzigartig. Das bestätigte auch Nina Schweinzger, Landwirtin aus Labuttendorf. Sie betonte den Stellenwert von starken Netzwerken für Innovation. Grundlage dafür sei vor allem die exzellente Ausbildung und Beratung in der heimischen Geflügelwirtschaft. Gregor Walcher-Eichinger, Bereichsleiter für Qualitätsmanagement in der AMA sieht die starke Nachfrage nach Tierwohl-Produkten als wichtigen Markttrend. Um diesen zu unterstützen, forderte er eine authentische Kommunikation zur Stärkung des Konsumentenvertrauens. Lukas hob die Vorteile einer Haltungsformkennzeichnung für einen besseren internationalen Vergleich hervor und verwies dabei auf die aktuelle Diskussion in Deutschland. Abschließend thematisierte Verena Rücker vom Bundesministerium für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz die Verbreitung von Krankheiten in der Geflügelbranche. Sie sieht in der engen Zusammenarbeit aller Beteiligten, den Schlüssel zur Prävention – Österreichs sei hier auf einem besonders guten Weg.
71. Wintertagung: Wir leben Innovation aus Tradition!
Die Wintertagung des Ökosozialen Forums findet bis 1. Februar 2024 statt und widmet sich an elf Fachtagen in verschiedenen Orten Österreichs den aktuellen Fragen der Agrarbranche. Eine Teilnahme ist sowohl vor Ort als auch online möglich. Detaillierte Informationen zur Wintertagung 2024 sowie zur Mediathek finden sich unter wintertagung.at.